Kühles Gold in warmen Händen - Oder: Eine Dreikönigsbotschaft

Wie haben Menschen an der Krippe den Moment erlebt, als sie vor dem kleinen Jesus standen? Theresa Biberger hat den Text über die Weisen aus dem Morgenland im Matthäusevangelium nachgelesen und dabei entdeckt, dass der Text viele Leerstellen enthält. Diese hat sie mit ihrer eigenen Phantasie gefüllt und aufnotiert, wie einer der drei Weisen aus dem Morgenland den Besuch beim Neugeborenen erlebt haben mag.

Furchteinflößend war er. Wie klitzekleine Mäuse standen wir vor ihm und bewilligten all seine Wünsche und Forderungen. Herodes. Der König Judäas. Wir sollten herausfinden und ihm sagen, wo Jesus geboren wurde. Heimlich waren wir hier. All die Blicke der Angestellten wirkten wie Messerstiche auf unserer, mit buntem Stoff bekleideten Haut. Zehn Minuten. Zehn Minuten hielten wir alle die Luft an. Zu groß die Angst, ein Wort gegen Herodes Pläne zu sagen. Dann, endlich waren wir entlassen.

Mir huschte ein Lächeln über die Lippen, als ich sah, dass man den schmalen, hellen Lichtstrahl noch immer gut am Himmel deuten konnte. Die folgende Nacht verbrachten wir stumm. Keiner von uns sagte auch nur ein Wort. Zu groß die Aufregung und Vorfreude. Mir schossen tausende Fragen durch den Kopf. Was, wenn all das eine Lüge ist, wenn es diesen Jesus gar nicht gibt? Wer sind diese doch so einfachen Eltern, die den „Sohn Gottes“ geboren haben? Werden sie uns weiterschicken? Aber auch Herodes ging mir nicht aus dem Kopf. Was hatte er vor? Er wird doch nicht? Nein. Ich versuchte meine aufsteigende Angst um Jesus zurückzudrängen. Eine schwere Müdigkeit überkam mich, doch wir mussten weiter. Zu dem Neugeborenen. Da ich großes Vertrauen in mein Kamel hatte, legte ich mich kurzerhand rückwärtig auf das Tier und ließ mich eine Weile tatenlos mit geschlossenen Augen tragen. Kurze Zeit später ging es mir besser.

Schon von weitem konnte man die Aufruhr um den kleinen, windschiefen Unterschlupf sehen. Doch je näher wir kamen, desto ruhiger wurde es um den Stall. Aufmerksame und gespannte Blicke trafen uns. Auch ich merkte wie die Aufregung in mir hochkroch, als wir von unseren Kamelen abstiegen. Ich spürte sie auch bei meinen Begleitern. Ich nahm das kühle Gold in meine warmen Hände und fühlte, wie sich allmählich meine Köperwärme auf das Gold überging. Kaspar, Balthasar und ich warfen uns kräftigende Blicke zu und traten in den von einer flackernden Kerze erleuchteten Raum. Und da lag er. Jesus. Der Heiland. Von weißen Fetzen umwickelt. Und dann öffnete er seine Augen. So klein und doch so wissend. Viel zu wissend für sein Alter. Weise Augen. So treu. So menschlich. Ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen, um diesen Moment für immer in meinem Herzen zu bewahren. Dann schaute ich auf das helle, leuchtende Gold in meiner Hand. Ich legte es sorgfältig neben Jesus. Dabei sah er mir mit festem Blick in die Augen. Ich deutete darin Dankbarkeit und Freude. Auch meine Freunde legten ihm Gaben bei. Weihrauch und Myrrhe. Maria, die Mutter Jesu, dankte uns wortlos. In diesem Moment konnte ich die Verbindung unserer Herzen spüren. Meines, Josefs, Marias, Balthasars, Kaspars und zuletzt Jesus. Wie ein unsichtbares Band waren wir verbunden. Und in dem Moment wusste ich, dass es Gott gibt. Und dass sein vermenschlichtes Ich in dieser kleinen, läppischen Krippe vor mir lag.

In der Nacht hatte ich einen Traum. Doch nicht nur ich. Auch meinen Begleitern wurde mit rauer Stimme zugeflüstert, wir sollen Herodes aus dem Spiel lassen. Er würde das Kind töten lassen. Also kehrten wir auf anderem Weg zurück in das Morgenland. Mit einer Dankbarkeit in uns, die so noch keiner von uns je zuvor verspürt hatte.

Theresa Biberger hat den Text im Rahmen des Religionsunterrichts verfasst (Themenbereich KR 10.1 „Sag, wer bist du?“ - Jesus Christus selbst entdecken).

 

 

zurück